Übersicht
Oberstufenzentrum Flawil
Den Rassismus an der Wurzel packen
Nicht die lauten, offensiven Formen von Rassismus standen im Zentrum eines halbjährigen Projektes des Oberstufenzentrums Flawil. Vielmehr ging man dort jenem rassistischen Denken auf die Spur, welches sich ins Alltagsleben einschleicht. Folgte ihm dorthin, wo tägliche Respektlosigkeiten und Vorurteile Menschen in ihrer Würde verletzen. Ein Klassenwettbewerb, SchülerInnen-Aktionen, eine Neigungswoche und ein interaktives Theaterspiel füllten das Jahresmotto von 400 SchülerInnen "Respekt und Achtung" mit Inhalt. "Der Ertrag aus einem solchen Projekt ist schwer messbar. Die einzelnen Aktionen allerdings verliefen sehr gut", so Schulleiter Claudio Besio.

 

Die Initialzündung
Eng arbeitet das Oberstufenzentrum Flawil mit der Fachstelle für Jugendfragen "Step in" zusammen. Sie ist Anlaufstelle für die Schule, wenn es Probleme im Kinder- und Jugendbereich gibt. Und die tauchen immer wieder auf, denn im Oberstufenzentrum lernen 400 SchülerInnen von der Sek bis zur Realschule unter einem Dach. Der Ausländer/innenanteil ist hoch, Spannungen zwischen den unterschiedlichen Nationalitäten wie den unterschiedlichen Altersgruppen sind unausweichlich. Ein Mal im Monat bespricht sich die Schule mit der Fachstelle. In diesem Zusammenhang stellte "Step in" sein Jahresmotto "Respekt und Achtung" vor. Das Oberstufenzentrum, das im Rahmen der Leitbildumsetzung am Thema "Schulklima" arbeitete, nahm das Motto der Fachstelle auf.

Die Ziele
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen". Eben dieser Geist - festgehalten im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – sollte im Oberstufenzentrum gefördert und gestärkt werden. Dies um so mehr, als Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an der Schule latent spürbar sind. Durch eine gründliche Aufbereitung des Themas wollten die Projektverantwortlichen die SchülerInnen sensibilisieren. Auch sollten sich diese konkrete Handlungskompetenzen im Bereich "Respekt und Achtung" aneignen können. Die Hoffnung der Schulleitung zielte dabei darauf, langfristig das Schulklima zu verbessern. Über die Schülerschaft hinaus hatte man in Flawil zudem die Öffentlichkeit im Fokus, um die Wirkung des Anti-Rassismus-Projektes zu verstärken.

Die Anwärmphase
Gesagt, getan: In drei Sitzungen über ein Vierteljahr verteilt, erstellte die Schulleitung gemeinsam mit der Fachstelle und dem Elternverein das Konzept für das Projekt. Im weiteren Sinn miteinbezogen wurde später auch der ökumenische Erwachsenenverein, mit dem die Schule über ihre ReligionslehrerInnen ohnehin zusammenarbeitete. Die Fachstelle "Step in" übernahm die Koordination mit der Gruppe "TheaterFalle Basel".

Die Umsetzung
Alle sassen sie nun in einem Boot: Die Oberstufenschule, die Fachstelle für Jugendfragen, der Elternverein und die Kirchgemeinden. Auf so breiter Ebene abgestützt, konnte das Projekt nicht nur vielfältig umgesetzt, sondern abschliessend auch an unterschiedlichen Orten präsentiert werden. Für die aktive Projektphase in der Schule plus Evaluation durch die Fachstelle wurde das gesamte 1. Schulsemester eingeplant. Diskutiert und gestaltet wurde primär in den Klassenverbänden. Die Arbeiten - Plakat und Pausenaktionen- wurden von einer Jury prämiert. Der Besuch des Forum-Theaters der "TheaterFalle Basel" intensivierte die Auseinandersetzung mit dem Thema. Während der Neigungswoche (ein regelmässiges Schulgefäss) konnten die SchülerInnen dann je nach Vorliebe aus verschiedenen Kursen zu Respekt und Achtung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auswählen.

  • Plakataktion/Ausstellung
    "Die schlimmste Armut ist die Einsamkeit und das Gefühl unbeachtet zu sein". So steht es beispielsweise auf einem der zahlreichen Plakate, die in den einzelnen Klassen zum Thema "Respekt und Achtung" kreiert wurden. Hintergrund der Plakataktion war ein Klassenwettbewerb, der im Rahmen des Projektes vom SchülerInnenrat initiiert wurde. Die LehrerInnen führten ihre Klassen im Rahmen des Unterrichts in die Thematik ein, die Klassen dachten sich danach je einen Leitsatz aus, der als Grossplakat in ihrem Schulzimmer aufgehängt wurde: Die so entstandenen "Erinnerungsformeln" zum Projekt wurden zusätzlich auf A2-Papieren festgehalten und in Form einer Ausstellung im Gemeindehaus präsentiert.

  • Pausenplatzaktionen
    Kreativität war von den Klassen auch in punkto Pausenplatzgeschehen gefordert. Hierbei sollten sich die SchülerInnen Aktionen ausdenken, die Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken können. Eine Klasse belieh zum Beispiel in freier Interpretation das Sprichwort "Liebe geht durch den Magen", wickelte eigene Aussagen zum Thema Respekt und Achtung in Schöggeli ein und verteilte diese in der Pause an ihre MitschülerInnen.

  • Forum-Theater gegen Rassismus und zu Fragen des Respekts: "Crash!"
    Die Fachstelle für Jugendfragen "Step in" übernahm die Projektleitung des Theaterprojektes "Crash!". Das neue Stück der Profi-Gruppe "TheaterFalle Basel" wurde von allen SchülerInnen der Oberstufe in einer Spezialvorstellung besucht. Da sich nicht nur die Schule und der Elternverein sondern auch drei Flawiler Kirchgemeinden zum Thema "Respekt und Achtung" engagierten wollten, wurden weitere Theateraufführungen u.a. ins Programm einer ökumenischen Aktivwoche integriert. Was ist "Crash!"? Das 135 Minuten-Stück für Kinder ab 14 Jahren zeigt exemplarisch auf, wie schnell es gehen kann, dass - bewusst oder unbewusst - andere Menschen in ihrer Würde und ihrem Selbstverständnis verletzt werden. Im interaktiven Teil des Stückes kann das Publikum eingreifen und neue Handlungsmuster vorschlagen. So entstehen Spielvarianten, die zweierlei deutlich machen: Das Verhalten einer/s Einzelnen kann das gesamte Umfeld verändern. Und, das Zusammenleben zwischen Menschen verschiedener Herkunft ist ohne gegenseitigen Respekt und Achtung nicht möglich.

  • Neigungswoche
    "Respekt und Achtung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit": Zwei Mal je zwei Tage verbrachten die SchülerInnen hierbei mit den Themen ihrer Wahl. Die 25 angebotenen Kurs teilten sich auf in sogenannte besinnliche Kurse (Diskutieren, Auseinandersetzung mit Gedichten und Filmen) und aktive Kurse (Gestalten, sich bewegen, etwas bewegen). Von jeder Sorte sollte je ein Kurs gewählt werden. Die Kurse umfassten in der Regel zwischen 12 und 15 SchülerInnen mit ein bis zwei LehrerInnen. Inhalte der Kurse waren beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Film "Schindlers Liste", sportliche Aktivitäten mit Einbezug des Themas "Gegenseitiger Respekt" oder aber die Frage nach "Respekt und Achtung" vor dem Alter oder Behinderungen, mit anschliessendem Besuch in einem Alters- oder Behindertenheim.

  • Weitere Schüler/innenaktivitäten
    Über 200 SchülerInnen beteiligten sich an Werbe-Aktivitäten für ihr Schulthema. Sie trugen u.a. Tischsets an Restaurant in Flawil aus und verteilten Plakate, welche auf die Vorstellungen des Forum-Theaters hinwiesen.

Zum Abschluss des Projektes wurden von Seiten der Fachstelle Fragebögen an die KlassenlehrerInnen verteilt.

Die Kreativen
400 Schüler/innen, 40 Lehrpersonen, der Elternverein, drei Flawiler Kirchgemeinden und die Fachstelle für Jugendfragen "Step in" stellten das Projekt "Respekt und Achtung" auf die Beine. Engagiert wurde die Gruppe "TheaterFalle Basel".

Die Adressaten
Nicht nur an die SchülerInnen des Oberstufenzentrums richtete sich das Anti-Rassismus-Projekt. Die Beteiligung der verschiedenen Partner machte es möglich, die breite Öffentlichkeit einzubeziehen. Auch die Tiefenwirkung des Projekts konnte so erhöht werden.

Die Bilanz
Positive Rückmeldungen aus der Gemeinde, Anerkennung für die "tolle Kooperation" seitens der Fachstelle für Jugendfragen, lobende aber auch kritische Worte aus der Schüler- und Lehrerschaft. Vor allem das Theaterprojekt und die Neigungswoche fanden grossen Anklang. Über den "Erfolg" des Projektes teilen sich die Meinungen. So wurden festgehalten, dass es im Lebenskundeunterricht danach angeregte Diskussionen zum Thema, speziell auf die eigene Schule bezogen, gab. In anderen Klassen erschien der Nachhall des Projekts gering. Auch die thematische Vorbereitung wurde von einigen LehrerInnen als zeitintensiv beurteilt, der generelle Projektaufwand als sehr hoch. "Ich würde dieses Projekt jederzeit wieder durchführen, denn das Thema beschäftigt uns konstant und steht in engem Zusammenhang mit Gewalt an der Schule. Der Erfolg ist nicht von heute auf morgen messbar. Deshalb muss es darum gehen, das Thema immer wieder aufzugreifen", so Schulleiter Claudio Besio.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten des Projekts: 12'886 Franken
  • Beitrag der Schule: 6'000 Franken
  • Beiträge der Partner: 2'156 Franken
  • Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 3'200 Franken

Noch ein paar Tipps

  • LehrerInnen frühzeitig in die Vorarbeiten einbeziehen und so den anstehenden Arbeitsaufwand transparent machen, nicht erst mit Beginn des Semesters, wenn das Projekt schon losgehen soll. Gleiches gilt für die Mitglieder des SchülerInnenrates.
  • Genügend Zeit für die thematische Heranführung der SchülerInnen einplanen. Steigert die Motivation und Kreativität der Kinder und Jugendlichen.

Kontakt
Claudio Besio, Schulleiter, Oberstufenzentrum Flawil, Landbergstrasse 50, 9230 Flawil, Telefon 071 390 02 22

 
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