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Kantonsschule Solothurn / Integrationskurs für ausländische Jugendliche Solothurn
"Döner & Röschti" – nicht nur im Theater
"Wer auf den anderen zugeht, hat sich immerhin bewegt." So beschreibt Theaterkursleiter Franco Supino die Hoffnung, die hinter dem Tandem-Projekt der Kantonsschule Solothurn und dem Integrationskurs für ausländische Jugendliche an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Solothurn steht. Das Thema Rassismus und Integration haben zwölf SchülerInnen des Theaterfreikurses gemeinsam mit sieben gleichaltrigen Jugendlichen des Integrationskurses erarbeitet. Herausgekommen ist eine szenische Collage mit Musik, in der das Publikum mit verschiedensten Ansichten konfrontiert wird - frei von Moralin, ohne einfache Lösungen, aber gegen Klischees.

 

Die Initialzündung
Angefangen hat alles mit Witzen. Mit fremdenfeindlichen AusländerInnenwitzen. Die erzählten sich Jugendlichen an der Kantonsschule auf dem Pausenhof. Ein gefundenes Thema für ein Theaterstück, motivierte Theaterkursleiter, Autor und Kantonsschullehrer Franco Supino seine bereits eingespielte Theatergruppe. Die zwölf Jugendlichen setzten sich darauf hin zum Ziel, die nächste Produktion dem Thema "Rassismus" zu widmen. Dabei sollten eigenständig Szenen aus dem Alltag entwickelt werden, um dem Phänomen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus dem eigenem Empfinden heraus näher zu kommen. Allerdings merkte die Theatergruppe bald, dass die einseitige Beschäftigung mit diesem Thema nicht viel mehr als Stereotypen produzierte. Es sollte daher zusätzlich auch die andere Seite des Phänomens, das "Fremd sein" beleuchtet werden. So nahm man Kontakt auf mit dem Integrationskurs für ausländische Jugendliche. Diesen zweijährigen (Sprach-)Kurs besuchen Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, welche meist im Rahmen der Familienzusammenführung neu in die Schweiz kommen. Sieben KursteilnehmerInnen erklärten sich bereit, am Theaterprojekt mitzumachen.

Die Ziele
Gleichaltrige Jugendlichen verschiedenster Herkunft erarbeiten gemeinsam eine szenische Collage. Dabei müssen Hemmungen überwunden werden, Grenzen überschritten. Begegnung, Auseinandersetzung, Annäherung und Integration lautet das Grundthema. Die ausländischen Jugendlichen müssen trotz mangelnder Sprachkenntnisse ihre Welt formulieren, aber auch die Konfrontation mit jenen Ansichten nicht scheuen, die ihnen wenig wohlgesinnt sind. Für die deutschsprachigen Jugendlichen heisst dies, sich einerseits mit der aktuellen Stimmung zum Thema Rassismus in der Schweiz zu beschäftigen, sich andererseits in die Situationen ihrer ausländischen KollegInnen hineinzuversetzen. Ziel all dessen war es unter anderem, eine Diskussion zu lancieren, welche dazu befähigen soll, Integration als wechselseitigen Prozess zu verstehen und zu gestalten. Ohne Angst vor Ungewissem und Schwierigen. Die SchülerInnen beider Kurse wollten dazu im Sinne eines besseren Zusammenlebens beitragen.

Die Anwärmphase
Mehrere Begegnungen zwischen den Jugendlichen sowie zwischen dem Theaterkursleiter und der Leiterin des Kurses konkretisierte die Idee, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Die Erarbeitung des Konzepts, des Zeitplans und erster Ideen für Rollen und Szenen sowie die Beantragung von finanzieller Unterstützung für das Projekt übernahm Theaterkursleiter Supino. Die am Theater beteiligten sieben Jugendlichen des Integrationskurses brachten ihre Lebensgeschichte zu Papier. Der Theaterkurs recherchierte über die aktuelle Stimmung, die in der Schweiz zum Thema Rassismus vorherrscht und stellt das musikalische Konzept auf. "Wir haben nicht gewusst, wie wir an den anderen herantreten und miteinander sprechen sollen", beschreibt Kantischülerin Cornelia Moser die etwas harzigen Anfänge.

Die Umsetzung
Nach rund vier Monaten an Vorarbeiten folgten etwa drei Monate Theaterarbeit: Festlegen der Szenenabläufe, des musikalischen Konzepts, des Stückablaufs. Danach Stückproben, Endproben mit Studienwoche und letztendlich die Aufführungen. Die szenische Collage besteht aus zwei Teilen und einem Mittelteil. Während der Projektmonate fand zwischen den Jugendlichen reger Austausch statt. Trotz mangelnder Deutschkenntnisse erzählten die ausländischen Jugendlichen ihren deutschsprachigen KollegInnen von ihrem Leben im Ursprungsland, von der Reise in die Schweiz, vom Leben in dem Land, in welchem sie nun den Grundstein für ihre weitere Zukunft legen sollen. Gemeinsam formten die Jugendlichen Texte und Szenen. Die Theaterkurs-SchauspielerInnen erarbeiteten dabei primär die Figuren der ersten Stückhälfte und den Mittelteil. Für die zweite Hälfte hatten sie sich in die Situationen ihrer ausländischen KollegInnen (teils spielten auch IntegrationsschülerInnen mit) hineinzuversetzen, galt es doch, deren Texte szenisch umzusetzen.

Das Stück

  • Aufführungen: Drei Abendvorstellungen, vier Schulvorstellungen. Insgesamt 600 Eintritte. Zusatzvorstellungen wurden erbeten, lagen aber ausserhalb der Möglichkeiten, da alle SchülerInnen während der Aufführungszeiten ohnehin oft den parallel laufenden ordentlichen Unterricht verpassten.

  • Die erste Hälfte des Stücks: Sie widmet sich der Schweiz. Einen Querschnitt der in der Gesellschaft vorhandenen Geisteshaltungen zum Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekommt das Publikum hier serviert. Mit dabei: ein Punk, eine Polizeisprecherin, eine Kindergärtnerin, ein Theologiestudent, ein Witzbold, ein Junkie, eine brave Schülerin, eine SP- und eine SVP-Politikerin, eine Seconda, ein PR-Berater.

  • Der verbindende Mittelteil: SchaupielerInnen tragen in Form eines griechischen Chors (Sprechchor) einen Faktenbericht über rassistische Übergriffe in der Schweiz von 1998 bis 2002 vor. Zudem wird ein Video eingespielt, in welchem Jugendliche des Theaterkurses PassantInnen zum Thema befragen.

  • Die zweite Hälfte: Sieben Texte von SchülerInnen des Integrationskurses werden szenisch dargestellt. Die SchülerInnen stammen aus Thailand, dem Kosovo, aus Mazedonien, Sri Lanka, Slowenien und Vietnam. Ihre Texte: Ankunft in der Schweiz, Mein Heimatland, So habe ich im Heimatland gelebt, Besuch im Heimatland, Der Entscheid in die Schweiz zu kommen. Inhalte: unter anderem Freunde, Frauenrechte, Sprache, Religion, Stadt-Land, Abschied, Neubeginn.

Zusätzlich zu den Proben am Stück wurde Medienarbeit betrieben, ein Text- und Programmheft zusammengestellt und eine - allerdings nicht professionelle - DVD produziert.

Die Kreativen
Zwölf Jugendliche des Theaterfreikurses, sieben Jugendliche des Integrationskurses, Theaterkursleiter Franco Supino und Madeleine Schluep, Leiterin des Integrationskurses zeichneten primär verantwortlich für das Gelingen des Projektes. Kommen hinzu: BühnenbildnerInnen sowie die Teams für Licht, Technik, Musik.

Die Adressaten
Erreicht haben die SchülerInnen beider Schulen nicht nur andere Jugendliche und deren Lehrpersonen sondern auch die breite Öffentlichkeit. Dies vor allem auch, weil das Projekt in den Medien grossen Anklang fand und begeistert aufgenommen wurde.

Die Bilanz
Was harzig begann lief immer besser und wurde letzten Endes zu einem grossen Erfolg. Während der gemeinsamen Projektarbeiten fand eine intensive Aufarbeitung des Themas unter den SchülerInnen statt. Die von der gemischten Gruppe und den Projektverantwortlichen angestrebten Ziele - Auseinandersetzung mit Fremdenfeindlichkeit, mit dem Verlust von Heimat und den Problemen des Neubeginns - wurden mehr als erreicht. "Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen des Integrationskurses und mit ihren Lehrkräften war für uns ein Glücksfall", resümiert Theaterkursleiter Franco Supino. Und: "Besonders für die Lehrstellensuche können die jungen Ausländer wichtige Erfahrungen sammeln." Freundschaften sind während des Projektes entstanden. "Ich bin froh, durch dieses Theater Kontakte gefunden zu haben" so Anita Prenaj (Kosovo). Allerdings: "In den gemeinsamen Ausgang geht man eher nicht", relativiert Kantischülerin Cornelia Moser. "Man kann Rassismus unter Jugendlichen nicht an einem Abend wegspielen oder so tun, als hätten die Jugendlichen des Integrationskurses wegen eines Theaterabends hier eine Heimat gefunden", bleibt Supino Realist. Aber: "Wer aufeinander zu geht, hat sich wenigstens bewegt.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten: 10'741 Franken
    (VerfasserInnen/DarstellerInnen verzichteten auf Honorar)
  • Ideentopf, Stadt Solothurn: 1'500 Franken
  • Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 5'000 Franken

Noch ein paar Tipps

  • Dafür sorgen, dass die ausländischen Jugendlichen Bezugspersonen haben, z.B. KursleiterInnen.
  • Intensivwoche einplanen, denn an einem Abend lässt sich so ein Projekt nicht verwirklichen.

Kontakt
Franco Supino, Gymnasium Solothurn, Zurmattenstrasse 2a, 4500 Solothurn

 
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