Übersicht
Oberstufenschulhaus Berghof, Wolhusen
Im kreativen Miteinander entdecken was verbindet
Das Sorgenthema "Interkulturelles Zusammenleben" hat das Oberstufenschulhaus Berghof kreativ angepackt. In verschiedensten Klassen-Projekten arbeiteten 300 SchülerInnen einem gemeinsamen Ziel entgegen: Erlebnisse zu schaffen, welche Respekt nicht über die Nationalität sondern über die gemeinsame Aktivität definieren. Präsentiert wurden die Projektarbeiten an einer grossen Schlussveranstaltung."Nicht, dass Wolhusen nun zu einem Vorzeigedorf geworden wäre oder alle Denkmuster durchbrochen wären, aber es wurde ein konstruktiver Anfang gemacht", resümiert Projektleiterin Christine Scheitlin.
Die Initialzündung
Es war nicht die Schule selber, sondern die externe Arbeitsgruppe "Prävention gegen Gewalt", welche den Samen für das grossangelegte Schulprojekt streute. Der Grund: In den Jugendtreffs Wolhusen und Menznau prallten immer wieder ausländische und schweizer Jugendliche aufeinander. Die feindselige, aggressive Atmosphäre veranlasste die Jugendarbeiter dazu, die Arbeitsgruppe "Prävention gegen Gewalt" ins Leben zu rufen. Den interkulturellen Konflikten wollte man auf einer möglichst breiten Basis begegnen. Dafür galt es, Gemeinden, die Kirche und vor allem die Schule für die Sensibilisierungsarbeit zu gewinnen. Die von der Arbeitsgruppe unterbreitete Idee, gar ein eigenes Schulprojekt auf die Beine zu stellen, fiel bei der Schulleitung auf fruchtbaren Boden. Zunehmende Provokationen hatten auch an der Schule LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern alarmiert. Mit diesem Schulprojekt sollte nun der gegenseitige Umgang im Alltag zum Thema gemacht werden.

Die Ziele
Rassistisch gefärbte Streitereien zwischen ausländischen und schweizer Jugendlichen, Sachbeschädigungen, Bedrohungen, kurz, ein mieses Klima an der Schule. Nachhaltig Entgegentreten wollte man solchen Tendenzen in Wolhusen. Hinter diesem Anliegen standen die Hoffnungen der Projektverantwortlichen, durch kreatives Miteinander die Akzeptanz und Toleranz der Jugendlichen untereinander zu fördern. Diskriminierende Vorurteile sollten abgebaut, die Eigenverantwortung der SchülerInnen gestärkt werden. Dreh- und Angelpunkte bildeten dabei die Fragen nach der eigenen Identität, nach der Identität der Anderen sowie nach dem Umgang mit den Ansprüche, Ängsten und Aggressionen, die sich daraus im gemeinsamen interkulturellen Zusammenleben herausbilden können.

Die Anwärmphase
Das "Ja" zum Projekt war gegeben, das Ziel klar gesteckt. Was fehlte war der Zeitrahmen.. Diesen legten die Projektverantwortlichen mit Vor- und Nacharbeiten auf knapp ein Jahr fest. Noch bevor mit der halbjährige Projektphase in den Klassenverbänden begonnen werden konnte, galt es zu überlegen, in wieweit sich Themen wie Heimat, Fremdsein, Identität, andere Religionen, Toleranz, akzeptieren- akzeptiert werden etc. in verschiedene Unterrichtsfächer (Lebenskunde, Musik, Sprachen, Geschichte, Religion, Hauswirtschaft) einbeziehen liessen.

Für Inputs sorgten Weiterbildungen:

  • Vor dem Projektstart: Im Rahmen einer Schulinternen LehrerInnenweiterbildung wurde das Thema "Gewalt in der Schule und wie können wir ihr begegnen" diskutiert. Fachlich begleitete das Zürcher Team für interkulturelle Konflikte und Gewalt (TikK).
  • Während der Projektphase: Fachbezogene Weiterbildungen zum Thema Geschichte und zum Thema Migration.
  • Zudem führten eine vietnamesische, eine türkische und eine kosovoalbanische WolhuserIn die am Projekt beteiligten LehrerInnen in landestypische Gerichte ein, welche bei der Abschlussveranstaltung gekocht werden sollten.

Wichtig war die frühe Einigung darauf, dass die SchülerInnen sowohl informativ, also sach- und fachbezogen, als auch emotional, heisst, musisch-gestalterisch, angesprochen werden sollen. Konkret bedeutete das, dass externe Fachleute im Bereich Musik, Foto und Theater engagiert werden mussten. Ausserdem wurde das bestehende Videoangebot der Schulbibliothek mit zusätzlichem Videomaterial zu den Themen Zusammenleben, Migration, Macht, Jugendprobleme und Faschismus erweitert. Den Lehrpersonen stand frei, die Videos in ihren Unterricht zu integrieren. Für SchülerInnen und Gemeinde wurden zwei öffentliche Vorführungen geplant.

Die Umsetzung
Zur konkreten Umsetzung mit den SchülerInnen wurde schliesslich nach gut einem Vierteljahr an Vorbereitungszeit geschritten. Die beteiligten LehrerInnen hatten sich - je nach Interessen, Fähigkeiten und Möglichkeiten - für eines oder mehrere Projekte im Bereich Theater, Musik, Video, Kulinarisches oder Gestalten entschieden. Inhaltlich sollte es um das Thema Zusammenleben und -arbeiten im Klassenverband und im Schulhaus gehen. Das Augenmerk lag dabei darauf, verschieden Ethnien miteinzubeziehen. Die Projektphase sollte sechs Monate dauern. Parallel zu den Informationsblöcken, welche in die Fächer Geografie, Geschichte, Religion und Lebenskunde integriert wurden, arbeiteten die LehrerInnen selbständig mit ihren Klassen an den Projekten. Die Theater- und Musikpädagogen begleiteten die einzelnen Klassen je einige Tage.

  • Theaterprojekt: Wer bin ich? Wie stehe ich zu den anderen? Diese Fragen standen im Zentrum des Theaterprojektes. Die SchülerInnen sollen auf spielerische Art den Umgang mit Konfliktsituationen erlernen und gemeinsam Lösungswege finden.. Sechs Klassen erarbeiteten einzelne Szenen innerhalb einer gemeinsamen Rahmenhandlung. Die Szenen, 15 bis 20 Minuten pro Klasse, wurden von den SchülerInnen selber entwickelt und geschrieben, von den jeweiligen Lehrpersonen inszeniert und vom Theaterpädagogenteam künstlerisch begleitet.

  • Musikprojekt: Ein heisses Eisen griff das Musikprojekt an. Es hatte sich zum Ziel gesetzte, verfeindete Jugendliche aus ihren erstarrten Fronten herauszulocken, sie Grenzen überwinden zu lassen, ihnen lustvoll Wege zum friedlichen Zusammenleben aufzuzeigen. Projektleiter aus den vier Bereichen Schule, Jugendarbeit, Musiktherapie und Fotografie gaben dabei den formalen Rahmen vor, die Inhalte bestimmten die 21 Jugendliche. In einem ersten Schritt öffneten sich die Jugendlichen in Gesprächen über ihre persönlichen Hoch- und Tiefpunkte des Jahres. Dabei kristallisierten sich die Haupthemen Enttäuschung, Wut und Hoffnung heraus. Aufgeteilt in Gruppen - Foto, Musik und Filmcrew- machten sich die Jugendlichen an die künstlerische Umsetzung. Die Musikgruppe brannte ihre gesungenen Empfindungen zu Hass und Wut auf CD. Die Filmcrew widmete sich unter anderem den Themen Ausländer und Identität. Ein Beispiel: Sie schrieb alle Namen von LehrerInnen und SchülerInnen des Schulhauses auf Zettel, mischten diese und verteilte sie neu. Personen, die so eine andere Identität aus dem Zettelbeutel zogen, mussten sich vor der Videokamera mit neuem Namen, in neuer Rolle vorstellen. Ausserdem besuchte das Team das RAV Wolhusen. Resultat des gesamten Musikprojektes: Eine Powerpoint-Präsentation mit Videoclips, Fotos und viel Musik.

  • Andere Aktivitäten: Fotoausstellung, Ausstellung "Vielfältigkeit der Kulturen an unserer Schule", Kulinarisches aus fremden Ländern, Comicbuch.

All dies wurde nach einem halben Jahr im Rahmen einer Schulhauseinweihungsfeier ganz im Sinne des Wir-Gefühls einem breiten Publikum präsentiert. Abschliessend wurde das Projekt unter Einbeziehung von LehrerInnen und SchülerInnen evaluiert.

Die Kreativen
300 SchülerInnen aus 15 Oberstufen- und 2 Mittelschulklassen beteiligten sich mit 17 LehrerInnen am Schulprojekt. Im Rahmen der fachlichen Weiterbildung wurden zwei Experten eingesetzt. Fachliche Unterstützung gab es zudem vom Zürcher Team für interkulturelle Konflikte und Gewalt (TikK). Zwei Theaterpädagogen, ein Musiktherapeut, ein Jugendarbeiter und eine Fotografin begleiteten die Projektarbeit. Die Jugendarbeit Wolhusen stellte ihren Bus zur Verfügung. Drei ausländische Gastköche/innen verrieten ihre Kochrezepte.

Die Adressaten
Das Wolhusener Projekt hatte primär die SchülerInnen des Oberstufenschulhauses im Blick. Da die Projektarbeiten allerdings an der Schulhauseinweihung präsentiert wurden, fanden sie auch die Aufmerksamkeit der Eltern, Verwandten, Freunde, Gemeinderäte und Medien. Ausserdem wurde die Abschlussarbeit des Musikprojekts im Gottesdienst der Kirche Wolhusen gezeigt, ist die Musik-CD im "Zwinggihus", dem Wolhusener Jugendtreff, zu hören. Die Adressatenliste wird daher immer länger.

Die Bilanz
Mit Stolz und Zufriedenheit blickt man im Oberstufenschulhaus Berghof auf das Projekt. Die breite Basis liess Fach- und Lehrpersonen viel Handlungsspielraum vom sachbezogenen Unterricht über spielerische Formen bis zu konkret angewandten Produkten. Die lange Zeitdauer hielt die Inhalte präsent und schärfte das Bewusstsein.. "Ergebnisse, im Sinne eines Denkanstosses, einer Sensibilisierung oder gar eines Umdenkens sind wohl schwer messbar. Jedoch war von Seiten der Schüler- und Lehrerschaft ein grosses Engagement zu spüren", so Projektleiterin Christine Scheitlin. Grundsätzlich hat im Oberstufenschulhaus ein bewussterer Umgang mit dem Thema eingesetzt, wird bei Vorfällen rascher reagiert. Die Theaterarbeit, die enormes Interesse fand, soll als fester Bestandteil, im Sinne der Rassismusprävention, ins Schulangebot integriert werden.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten des Projekts: 22'111 Franken
  • Spenden/Sponsoring gesamt: 27'570 Franken
  • davon Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 6'000 Franken

Noch ein paar Tipps

  • Projektleitung muss gut mit den Teilnehmenden vernetzt sein und in stetem Kontakt stehen
  • Wichtig ist eine rollende Überprüfung der Ziele
  • AnsprechpartnerInnen für Konfliktsituationen nicht vergessen
  • Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Arbeitsweisen im LehrerInnenteam von Anfang an ansprechen, z.B. produkt- oder prozessorientiertes Arbeiten
  • Die Primarschule miteinzubeziehen wäre lohnend, ist jedoch sehr aufwändig

Kontakt
Christine Scheitlin, 6114 Steinhuserberg, Telefon 041 490 13 82

 
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