Übersicht
Hochschule für Gestaltung und Kunst, Luzern
Haltung zeigen – gerade in der Kunst
Es war ein Pilotprojekt, welches DozentInnen in Luzern aufgleisten: Sie wollten Kunststudierende während einer Studienwoche an die Auseinandersetzung mit Rassismus heranführen; eine für die Hochschule neue Thematik. Theoretische Grundlagen über gestalterische Mittel im öffentlichen Diskurs sowie konkrete Praxisarbeiten sollten die Studierenden dazu befähigen, gesellschaftspolitische Themen theoretisch fundiert und gestalterisch kompetent umsetzen zu können. „Probleme mit dem Rassismus haben immer die Betroffenen. Unser Problem aber ist es“, so Projektleiterin Nika Spalinger, „dass wir für diese Betroffenheit zu wenig Sprache und künstlerische Strategien haben.“
Die Initialzündung
Eine Plakatgestaltungs-Aktion zum Thema „Jugendliche gegen Rassismus“ brachte DozentInnen der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern ins Grübeln: Auch ihre Studierenden sollten sich an der Aktion beteiligen. Doch: „Uns fiel auf, dass wir schlecht vorbereitet waren. Es mangelte an der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema“, erinnert sich Nika Spalinger, Dozentin für räumliche Kunst. Eine Auseinandersetzung, im Rahmen derer hinterfragt und reflektiert wird, mit welchen gestalterischen Mitteln (Bildern, Filme, Texte, Aktionen) der öffentliche Diskurs geführt wird. Wie gehen KünstlerInnen, Gestalterinnen und Kunstvermittelnde mit diesem Material um? Und welchen künstlerischen Verstand braucht es, um in diesem öffentlichen Diskurs intervenieren zu können? Die Diskussion um derlei Fragen – insbesondere in Zusammenhang mit Alltagsrassismen - hatte in der Hochschule bis dahin wenig Raum gefunden. Dies sollte sich ändern, denn „diese Themen werden im Alltag gerade auch mit bildnerischen Mitteln immer wieder zum Ausdruck gebracht und enthalten ein grosses manipulatives Potential“, so Nika Spalinger. Mit drei vorbereitenden Inputseminaren und einer sich anschliessenden Studienwoche sollte der erste Schritt getan werden.

Die Ziele
Es sollte ein Versuch sein; einer, der erste Erwartungen, Bereitschaften und das Interesse am Thema seitens der Studierenden wie der DozentInnen aufzeigt. Ein Versuch, um bestehende Möglichkeiten des Sich-Befassens auszunutzen und den Einstieg für eine längerfristige und vertiefte Auseinandersetzung an der gesamten Schule vorzubreiten. Ziel der Studienwoche war es, die Studierenden mit gestalterischen Ideen zu konfrontieren, ihnen einen Überblick zu geben über künstlerische Strategien und Formen der sogenannten politischen Kunst. Sie sollten angeregt werden durch Aktionen, Werke, Texte von Gestaltern und Künstlergruppen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. In einem zweiten Schritt sollten die Studierenden mit freien Mitteln praktisch gestalten und ihre Arbeiten anschliessend einer kritischen Diskussion zur Wirkungsweise unterziehen. Das Ergebnis sollten qualitativ hochstehende, originelle und differenzierte Arbeiten zum Thema Rassismus sein, welche Haltungen auszudrücken vermögen.

Die Anwärmphase
Die Projektverantwortung übernahmen die beiden Dozentinnen Silvia Henke und Nika Spalinger. Unterstützt durch eine Assistentin, sowie Lathan Suntharalingam (u.a. Projektleiter „Jugendliche gegen Rassismus“) und Giorgio Andreoli von der Berner Beratungs- und Informationsstelle gggfon („Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus“) wurde die Studienwoche samt Inputseminare konzipiert. Ursprünglich sollte der Einstieg für die Studierenden erleichtert werden, indem ein Rahmenthema gesetzt wurde: Rassismus unter dem Blickwinkel des Gastgewerbes. Da es das erste Mal für die Studierenden war, dass sie sich mit dem Thema Rassismus auseinander setzen, zogen sie es aber vor, von eigenen Erfahrungen auszugehen, anstatt sich an ein einschränkendes Rahmenthema zu halten. Abteilungsübergreifend wurden schliesslich vorbereitet:

  • Drei Inputseminare (jeweils 2 Stunden), in denen externe Fachleute ins komplexe Themengebiet aus soziologischer, literatischer und kunstgeschichtlicher Perspektive einführten. Die Veranstaltungen waren öffentlich.
  • Die Studienwoche, zu der sich die Studierenden in kleinen Gruppen für ein frei gewähltes Projekt anmelden mussten.
  • Zur Umsetzung der Studienwoche sollten einzelne Abteilungen Lektionen beisteuern. Ausserdem musste die Nutzung der schulischen Infrastruktur (Bibliothek, Raumbenutzung, Internet, Ausleihe, Schnittplätze, Werkstätten für bildliche Umsetzung) ermöglicht werden.

Die Umsetzung
Inputseminare: Drei Wochen vor der eigentlichen Studienwoche lud die Hochschule erstmals zu den Inputseminaren ein, welche den theoretischen Hintergrund vermitteln sollten. Dabei übernahmen die Projektleiterinnen beim ersten Seminar die thematische Einführung. Danach referierte Dr. David Krieger (Nachdiplomstudiengang Interkulturelle Kommunikation Universität Luzern) über „Interkulturelles Verstehen“. Das zweite Inputseminar, eine Woche später, wurde vom Basler Schriftsteller Martin R. Dean gestaltet. Er las und diskutierte mit den Anwesenden zum Thema „Identität des Eigenen und des Fremden“. Beim Inputseminar der dritten Woche war die Künstlerin Roza El Hassan aus Budapest zu Gast. Sie stelle anhand eigener Arbeiten künstlerische Interventionen in politischem Sinn dar.

Studienwoche: Am ersten Tag der Studienwoche (insgesamt 30 Wochenlektionen) trafen sich die insgesamt 17 StudentInnen mit den Projektleiterinnen und den externen Begleitern der Aktion „ Jugendliche gegen Rassismus“ und der Beratungsstelle gggfon („Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus“). Die Gruppen stellten ihre Projektvorhaben im Plenum vor und erhielten von den Fachpersonen wichtige Hinweise. Bis Freitagnachmittag arbeiteten die Projektgruppen selbständig, aber unter flexibler Betreuung durch die Fachleute und Dozentinnen, an ihren Arbeiten. Diese wurden dann am Nachmittag, dem letzten Tag der Studienwoche, präsentiert und diskutiert. Beispiele:

  • Kurzvideos „Schwarz-weiss“ und „Die Frage nach dem Sinn der Rassen.“
  • Spontan-Performance in einem Wartesaal: Dort inszenierten farbige und weisshäutige Studierende eine Vorfall und dokumentierten die Reaktionen der Passanten. Zudem wurden Zugreisende zum Thema Heimat/Fremde interviewt.
  • Eine Kunstführung auf Chinesisch wurde organisiert
  • „Hauttest“ nannte sich ein Projekt, in dem die Studierenden Passanten anboten, den eigenen Hautton mit dem Farbkasten zu mischen. Die dabei entstandenen Farbkarten mit den unterschiedlichsten Hautton-Nuancen wurden im Schwimmbad Luzern ausgestellt und stiessen auf grosses Publikumsinteresse.

Evaluation: Welche Ergebnisse sind relevant für ein Nachfolgeprojekt? Inwiefern soll das Thema Rassismus und Interkulturalität in der Schule verankert werden? Dienen die Arbeiten auch ausserhalb der Schule als Instrumente, um eine Sensibilisierung für rassistische Zusammenhänge zu erreichen? Fragen wie diese standen bei der Schlussevaluation im Mittelpunkt. Dafür wurden Feedback-Runden bei den Studierenden durchgeführt und die Arbeiten von Fachpersonen differenziert beurteilt.

Die Kreativen
Nika Spalinger (Dozentin, Abtlg. Kunst) und Silvia Henke (Dozentin, Abtlg. Theorie) als Projektverantwortliche, 13 Studierende der Hochschule, vier Gaststudierende aus Sierre, vier Kunst- und Kulturschaffende aus den Bereichen Literatur, Soziologie und Kunstgeschichte sowie Mitglieder der Plakataktion „Jugendliche gegen Rassismus“ und der Berner Beratungs- und Informationsstelle gggfon („Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus“).

Die Adressaten
Da es sich hier um ein Pilotprojekt handelte, lag der Fokus dieser Projektwoche auf den Studierenden der Fachklassen Bildende Kunst, Ästhetische Erziehung (Zeichen- und Werklehrerinnen) und Video sowie auf ihren DozentInnen.

Die Bilanz
Der faszinierende Pilotversuch zeigte Wirkung und wird, laut Projektleiterin Nika Spalinger, an der Hochschule weitere Kreise ziehen. Die Theorievermittlung soll künftig in den Regel-Theorieunterricht integriert werden, um die Auseinandersetzung über einen längeren Zeitpunkt hinweg zu ermöglichen. Befragung bei den Studierenden ergab ein sehr positives Bild. Sie seien sensibilisiert und motiviert worden, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und hätten gelernt, künstlerische Strategien zu verfolgen, welche der Thematik angemessen sind. Besonders wichtig erschien es den Projektverantwortlichen, die Schnittstelle zwischen Kunstlehre und Bildende Kunst zu stärken. Als ausserordentlich anregend empfanden alle Teilnehmenden die Tatsache, dass annähernd alle studentischen Gruppen multikulturell zusammengesetzt waren: ChinesInnen, SpanierInnen, AfrikanerInnen, SchweizerInnen, EngländerInnen. „Der Austausch zum Thema Rassismus ging bei diesen Gruppen wesentlich mehr in die Tiefe. Lediglich eine Gruppe bestand nur aus SchweizerInnen. Hier blieb die Diskussion deutlich stärker an der Oberfläche“, so Nika Spalinger.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten: 12'000 Franken
    • davon Personalkosten 9'000 Franken
  • Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 6'400 Franken

Noch ein paar Tipps

  • Interdisziplinäres Arbeiten hat sich bewährt. Daher verschiedene Abteilung sehr früh in laufende Prozesse /Projekte einbinden und kontinuierliche Kommunikation gewährleisten.
  • Wichtig ist es, vorab zu klären, ob die Studierenden durch ein vorgegebenes Rahmenthema eher blockiert werden oder ob sie dieses als Orientierungslinien benötigen.
  • Möglichst direkt Betroffenen in Projektarbeit einbinden.
  • Eine Woche ist zu kurz, um eine intensive theoretische Auseinandersetzung zu gewährleisten. Daher die Theorieelemente über einen längeren Zeitraum vorausschauend einbetten.

Kontakt
Nika Spalinger, Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern, Abteilung Bildende Kunst, Sentimattstr. 1, 6003 Luzern, Mobil: 076 438 86 81; www.hgk.fhz.ch 

 
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