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Schulhaus Hofacker I, Triengen
Hinschauen – ein Rezept für Zivilcourage!
Was tun, wenn Schulkameraden gemobbt werden? Wegschauen, schweigen -- oder Zivilcourage beweisen und Eltern oder LehrerInnen einschalten? Mit den Mechanismen von Gruppendruck und den Konsequenzen von Ausgrenzung vor dem Hintergrund der Menschenrechte befasste sich die 6. Klasse während einer mehrteiligen Projektarbeit. Gemeinsam erarbeitete man eine Geschichte, die szenisch umgesetzt und auf Video festgehalten wurde. Dabei wagten LehrerInnen, SchülerInnen und Mediator auch den Transfer auf den Klassenalltag. „Die SchülerInnen haben gelernt, Probleme in der Klasse konstruktiver zu lösen und nicht in alte Muster zu verfallen“, so Mediator Andreas Hausheer.
Die Initialzündung
Eigentlich sollte es für die 6. Klasse Triengen ins angekündigte Klassenlager gehen. Aber daraus wurde nichts. Jedenfalls nicht in der üblichen Form, denn in der Klasse häuften sich während der letzten Schulmonate die Probleme: Mädchen und Knaben spielten sich gegenseitig aus, eine Gruppe von wenigen SchülerInnen bestimmten über den Klassenverband. Wer sich dem Druck nicht beugte, wurde ausgelacht oder als „Petze“ ausgegrenzt. Ergebnis: Die grosse Mehrheit passte sich an, schwieg. Einschüchterung und Überwachung beeinträchtigten so das Lernklima wie den Klassengeist. Die Kommunikation zwischen SchülerInnen und LehrerInnen war harzig, das Führen der Klasse markant erschwert. Klassenlehrer Christoph Bühlmann beschloss zu reagieren, anstatt eine Eskalation im Klassenlager zu riskieren. Gemeinsam mit Andreas Hausheer-Hofstetter, freiberuflicher Mediator, Erwachsenenbildner und ehemaliger Lehrer, sollte in spielerischer Form an den Problemen (vor allem Mobbing) gearbeitet und konstruktive Lösungen gefunden werden.

Die Ziele
Mobbing – rasch geht dieses Wort von den Lippen. So rasch, dass das Verhalten, welches damit bezeichnet wird, gelegentlich seine Grausamkeit zu verlieren scheint. Bei Mobbing geht es aber nicht um Necken, ums Streiten. Es geht um systematische Pöbeleien, um das Angreifen einer Person, um das Attackieren, Ausgrenzen und Ausstossen. Es geht damit auch um die Verletzung allgemeingültiger Rechte – Menschenrechte, Kinderrechte. Meist steckt im Grunde vor allem anderen die mangelnde Fähigkeit dahinter, mit Anderem, Fremdartigen, Unterschiedlichem umzugehen. Gerne greifen gerade Kinder und Jugendliche in solchen Situationen auf Verhaltensmuster zurück, die ihnen ihre erwachsene Umwelt vorlebt. Vorurteilsbeladenheit und Rassismus sind dabei gefährliche Nährböden. Das Projekt „Grenzfluss“ wollte die SchülerInnen nun altersgerecht an die Themen Ausgrenzung, Feindbilder, Rassismus, Zivilcourage und Menschenrechte heranführen. Ziel war es dabei besonders, ihnen durch das Themenzentrierte Theater das eigene Verhalten untereinanderklar zu machen. Das Projekt sollten sie befähigen, konstruktive Formen zu finden, mit Unterschiedlichkeiten umzugehen und SchülerInnen wie LehrerInnen motivieren, ihre Verhaltensweisen zu ändern, um bei konkreten Vorfällen eingreifen zu können.

Die Anwärmphase

  • In der Vorbereitung zur Projektwoche galt es, zwischen dem Mediator und dem Klassenlehrer die Ziele zu definieren, ein Konzept zu erarbeiten und die Budgetplanung aufzustellen.

  • Zudem wurden die Schulleitung und die Lehrerschaft der Parallelklassen informiert.

  • In einer Planungssitzung wurde das Wochenprogramm festgelegt und eine Ideenskizze der Geschichte angefertigt, welche die SchülerInnen später weiterspinnen sollen. Der Rahmen: Eine Dilemma-Situation, welche letztlich die Frage aufwirft: Was kann der einzelne tun? Die grobe Theaterhandlung: Die Anführer der Rot- und der Grünländer wollen um einen Fluss, und das lebenswichtige Wasser darin, Krieg führen. Um ihr Ziel zu erreichen, versuchten sie, bei den Menschen ihrer jeweiligen Völker Feindbilder aufzubauen. Doch das gewöhnliche Volk tut sich auf beiden Seiten schwer, in den Nachbarn tatsächlich Feinde zu erkennen. Sie kommen in den Konflikt, sich anzupassen, ihren Anführern zu folgen und Krieg zu führen oder aber eine eigene Meinung zu haben und damit zu riskieren, ausgestossen zu werden.

  • Festgelegt wurde, dass die Projektwoche einen Videofilm anstatt ein Theaterstück hervorbringen soll. Grund: Ein neues Medium ist für die SchülerInnen interessanter. Zudem kann ein Film beliebig oft und an verschiedenen Orten angesehen werden. Das erhöht den Multiplikatoreneffekt und macht das Arbeiten im Unterricht leicht.

  • Zur Einführung besuchte Mediator Andreas Hausheer die Klasse, um die Grundidee, die Geschichte und das Programm vorzustellen und die Ressourcen der Klasse abzuklären: Was kann wer besonders gut? Was erwarten die SchülerInnen von der Woche? etc.

Die Umsetzung
Während dreieinhalb Tagen der Projektwoche (etwa zwischen 8.15-11.45 Uhr und 13.30 –15/16 Uhr) arbeitete die Klasse intensiv im Schulhaus mit dem Mediator an Teilbereichen des Projekts. Der Klassenlehrer war meist anwesend. Dabei kam es auch zu unerwarteten Diskussionen darüber, was es den SchülerInnen erschwert, mit dem LehrerInnen zusammen zu arbeiten. Dem Abschluss der Theater- und Videotage folgte ein Klassenausflug mit Übernachtung im Zeltlager. Dieser sollte das Wir-Gefühl, welches während der Projektphase entstanden war, festigen; was allerdings nur teilweise gelang. Nach den Herbstferien knüpfte sich eine intensive Nachbereitungs-Phase an. Abschliessend wurde das Projekt mit Hilfe eines Auswertungsbogens in der Klasse und in einem Gespräch zwischen Klassenlehrer und Mediator evaluiert.

  • Projektwochen-Phase:
    • Vorübungen zu Theaterformen: Verhalten, Körperhaltung, Darstellung von Stimmungen, „Ins Spiel einsteigen, nicht vor den anderen spielen.“
    • Einzelne Rollen und Figuren wurden ausgestaltet, entsprechende Masken dazu gefertigt.
    • Danach galt es, das Stück als Geschichte zu erarbeiten: Wie leben die beiden Völker ursprünglich? Welches Problem tritt auf? Worin liegen die Unterschiede der Völker? Warum entsteht Misstrauen? Wie und welche Feindbilder entstehen? Warum kommt es zu einer Eskalation, die sogar einen Krieg nach sich zu ziehen droht?
    • Transfer zum konkreten Thema Mobbing, Ausgrenzung, Zivilcourage.
    • Weiterentwicklung der Geschichte bis zum Schluss.
    • Filmen der Szenen und musikalische Unterlegung mit Rhythmus-Instrumenten.

  • Nachbereitungsphase:
    Drei Wochen lang wurden in je zwei Lektionen folgende Themen durch Spiele und Gruppenaktivitäten beleuchtet.
    • Gemeinsamkeiten/Unterschiede zwischen Menschen und Gruppen, eigene Wertesysteme, Gleichwertigkeit.
    • Von der Assoziation zum Feindbild, eigene Entwertungstendenzen bemerken, Rezept gegen Feinbilder: Hinschauen!
    • Menschen und Kinderrechte
    • Mut- tut-gut-Training: Sieben Punkte für richtiges Eingreifen bei Ausgrenzung, Mobbing, Rassismus.

Während der Vertiefung wurde der Bezug des Films auf die Klassensituation hergestellt, Mobbing aufgezeigt und dessen Unduldbarkeit klargemacht. Zudem wurden die Rechte und Pflichten der SchülerInnen wie der Lehrperson an konkreten Beispielen thematisiert.

Die Kreativen
Eine Schulklasse (18 SchülerInnen), Klassenlehrer Christoph Bühlmann und der externer Mediator Andreas Hausherr stellten das Projekt auf die Beine. Unterstützt wurden sie von der Schulleitung und Schulpflege, dem Amt für Volksschulbildung Luzern und der Familie Stalder, Sempach-Station, welche die Zelt-Übernachtung auf ihrem Bauernhof ermöglichte.

Die Adressaten
Zielgruppe des Projekt war vor allem die 6. Klasse der Schule Triengen und ihr Lehrer. Der Videofilm wurde allerdings später den Parallelklassen (rund 60 SchülerInnen) vorgeführt, wodurch eine breitere jugendliche Zielgruppe erreicht wurde. Zudem wurden die Eltern anhand des Videofilm an einem Elternabend über die akute Klassensituation informiert. Mit dem Ziel, zusammen Lösungsansätze zu diskutieren.

Die Bilanz
„Mit grossem Engagement und viel Phantasie wurde im Rahmen des Projektes `Grenzfluss´ nach umsetzbaren Lösungen für konkrete Alltagsprobleme der Klasse gesucht,“ lautet die Beurteilung von Andreas Hausherr. Die Methode des Themenzentrierten Theaters hat sich bewährt. „Die erarbeitete Geschichte und die szenische Umsetzung eigneten sich gut, da die Kinder handlungsorientiert und konkret an die Themen herangeführt wurden“, so der Mediator weiter. Regelverstösse und Grenzüberschreitungen wurden in der Klasse diskutiert, mögliche Sanktionen definiert, alte Muster des Auslachens und Ausgrenzen aufgebrochen. Auch Klassenlehrer Christoph Bühlmann zeigte sich zufrieden, bemerkt aber: „Die Projektwoche brachte die Klärung der Missstände in der Klasse. Damit sind diese aber nicht vom Tisch. Es braucht weiterhin ein sehr hohes Engagement von mir, mit der Klasse weiterhin an der Thematik zu arbeiten und konsequent einzugreifen, wenn dies erforderlich ist.“ Positive Veränderungen im Verhältnis zwischen SchülerInnen und zwischen der Klasse und dem LehrerInnen haben sich bereits eingestellt.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten: 4'500 Franken
    • Davon: externe Begleitung total 4'300 Franken
  • :Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 3'400 Franken

Noch ein paar Tipps

  • Die Zusammenarbeit mit den Eltern sollte früh beginnen. Das Projekt vorstellen, Sinn und Ziel erklären und das weitere Vorgehen nach dem Projekt besprechen.
  • Die sorgfältige Vor – und Nachbereitung ist unabdingbar, um eine adäquate Situationsanalyse anstellen zu können und deren Ergebnisse in die pädagogische Ausgestaltung des Projekts einfliessen zu lassen.
  • Genügend Zeit einplanen, um dem Prozess Raum geben zu können. Nicht produktorientiert auf den Film hinarbeiten.

Kontakt
Andreas Hausheer, aha.mediation, Stadtstrasse 3, 6204 Sempach, Telefon: 041 460 24 11
Christoph Bühlmann, Schulhaus Hofacker I, 6234 Triengen, Telefon: 041 933 16 62

 
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