Übersicht
Sekundarschulen im Kanton Tessin
Ponte-s-cambi – Die Austauschbrücke
Während einer Woche trafen sich SchülerInnen aus 10 Sekundarschulen des Kantons Tessin mit Lehrlingen der Integrationsvorlehre für zugewanderte SchülerInnen. Während zweier Tage nahmen die SchülerInnen an sechs Workshops teil, welche die Vorlehrlinge mit ihren LehrerInnen in den Monaten zuvor erarbeitet hatten. Anschliessend bekamen die Vorlehrlinge Gelegenheit, die Kreationen ihrer «Gäste» zum Thema Integration kennen zu lernen. Doch nicht nur die Jugendlichen auch LehrerInnen und SozialarbeiterInnen studierten im Rahmen dieses Projekts. Integration, Multikulturalität und Gesundheit hiessen die Themen, welchen sich die pädagogischen Fachkräfte zuwandten. Zum Projekt-abschluss fand ein grosses Fest statt, mit Spielaktivitäten, Nachtessen und Discoabend – ohne Alkoholausschank.
Die Initialzündung
Die Berufs-vorbereitungsschule wird nur von jungen AusländerInnen verschiedener Nationen besucht. Da diese Klassen nicht über ein eigenes Schulgebäude verfügen, sind sie in Sekundarschulen (Mittelstufe Canobbio und Bellinzona) und in der Berufsschule untergebracht. Dies führte schon mehrmals zu rassistisch gefärbten Bekundungen von Intoleranz. Das Laboratorio Ponte-s-cambi ist die Fortsetzung eines Programms, in welchem sich Vorlehrlinge für die Bekämpfung von Rassismus engagierten. Unter der Leitung ihrer LehrerInnen und in Zusammenarbeit mit AnimatorInnen von Radix arbeiteten die Jugendlichen in verschiedenen Projekten mit:
  • Treffen und Animationen zu den Themen Vielfalt, Rechte usw.
  • Folder «Radici» (Wurzeln) zu den Themen Immigration, Erwachsen-werden, Vielfalt, Vorurteile sowie Schwierigkeiten, denen jemand begegnet, der in einem fremden Land lebt
  • Fotoromane über Gefühle
  • Kleine Ausstellung für die Nationale Fachmesse für Suchtprävention in Biel

Bislang war die Arbeit der Vorlehrlinge vor allem an der Berufsvorbereitungsschule erfolgt. Nun galt es, die Erfahrungen aus diesem Umfeld herauszutragen und anderen Schulen zugänglich zu machen, um eine Gettoisierung zu vermeiden und die persönlichen Ressour-cen und Fähigkeiten zu optimieren sowie rassistischem Verhalten vorzubeugen. So entstand das Projekt Ponte-s-cambi.

Die Ziele
Oberstes Ziel von Ponte-s-cambi war die Vermeidung von Rassismus und die Bekämpfung von intolerantem Verhalten. Im Vordergrund stand dabei, durch gegenseitigen Respekt sowie Bewusstmachung und Wertschätzung der Verschiedenartigkeit eine demokratische Kultur zu entwickeln. Konkret wollte das Projekt die Beziehungen unter Jugendlichen mit unterschied-lichem kulturellem und schulischem Hintergrund verbessern. Dazu sollten die auf Halbwissen beruhenden falschen Vorstellungen ausgeräumt und die Jugendlichen sowie die gesamte Tessiner Bevölkerung für die Problematik von Rassismus und Diskriminierung sensibilisiert werden. Längerfristig erhofften sich die InitiantInnen davon eine vermehrte Zusammenarbeit der diversen Schulstufen und eine Festigung – d.h. Entwicklung – von Schulprojekten zur Vorbeugung von Rassismus.

Die Anwärmphase
Der Entscheid, im Präventionsbereich Workshops zu veranstalten, erfolgte aus der Notwendigkeit heraus, die Jugendlichen mittels Konfrontation und direkter Verantwortlichkeit für ihre eigenen Vorstellungen in Experimente einzubinden. Auf alle Fälle sollte eine rein theoretische Vermittlung von Botschaften vermieden werden. Mit der Schaffung von Kontakten zwischen jungen Lehrlingen und andern Jugendlichen lehnte sich Ponte-s-cambi auch an die Grundsätze der Peer-Education an. Zwischen Oktober und Dezember 2002 trafen sich die LehrerInnen der Berufsvorbereitungsschule und der Sekundarstufe sowie externe AnimatorInnen zu einer ersten Diskussion und zur anschliessenden Planung des Projekts. Gleichzeitig wurde in den Vorlehrlings- und in den Sekundarklassen die Reflexion zum Thema lanciert. Die jungen AusländerInnen wählten u.a. die Workshopthemen aus und legten den Ablauf der Aktivitäten fest.

Die Umsetzung
Nachdem sich die Jugendlichen der Bedeutung des Themas bewusst geworden waren, wurde das eigentliche Laboratorio Ponte-s-cambi ins Leben gerufen. Von Januar bis April 2003 machten sich die Vorlehrlinge – unterstützt von ihren LehrerInnen für allgemein bildende Fächer und externen AnimatorInnen – an die Umsetzung der Workshops, welche die Interaktivität mit den Adressaten (SchülerInnen der Sekundarstufe) ankurbeln sollten:

  • Schreib-Workshop: Vorstellen der verschiedenen Sprachen der Welt, Aussprache, Schriften
    Die Vorlehrlinge stellten sich auf Italienisch und in ihrer Muttersprache vor, indem sie sich als LehrerInnen für Schreiben, Aussprache und Lesen ihres jeweiligen Alphabets ausgaben. Die SekundarschülerInnen ihrerseits lernten kurze Auszüge lesen oder einfache Sätze in der andern Sprache schreiben.

  • Afrodance-Workshop: Bedeutung des Tanzes und Erarbeitung von Choreografien
    Die Vorlehrlinge befassten sich mit der Bedeutung des Tanzes in ihrem Heimatland und entdeckten die Gefühle, die sich damit ausdrücken liessen. Darauf folgte die Umsetzung einer Choreografie für afrikanischen Tanz für die Sekundar-schülerInnen.

  • Perkussions-Workshop: Herstellung von Perkussionsinstrumenten
    Die Vorlehrlinge fabrizierten verschiedene Schlaginstrumente und stellten deren Ursprung und Gebrauch anlässlich der Begegnungstage mit den SekundarschülerInnen vor. Darauf folgte eine rein perkussionistische Musikdarbietung.

  • Workshop: das Tier als «Spielzeug»: Gedanken über die Beziehung von Mensch und Tier im Bereich Spiel und Vergnügen
    Die Vorlehrlinge dachten – ausgehend von den Sitten in ihrem Heimat-land – über die entsprechenden Charakteristiken in den verschiedenen kulturellen und geografischen Regionen nach. Die Ergebnisse wurden auf Tafeln und am Computer dargestellt.

  • Musik-Workshop: die Länder und ihre Musik
    Den SekundarschülerInnen wurden die Herkunftsländer der Lehrlinge und die verschiedenen Arten von Musik vorgestellt. Danach organisierten die Vorlehrlinge ein Quiz, bei dem der Name eines Landes einer vorgängig kurz eingespielten Musikart zugeordnet werden musste.

  • Workshop «Weltquiz»: Erarbeiten eines echten, global ausgerichteten Quiz über Allgemeinbildung
    Zwei Moderatoren stellten – wie in einem Fernsehquiz – den in drei Gruppen aufgeteilten Teilnehmenden Fragen zu den verschiedenen Ländern der Welt aus dem Bereich der Allgemeinbildung.

Die SekundarschülerInnen hatten ihrerseits Gelegenheit, sich auf die Workshops und die Treffen mit den jungen Vorlehrlingen durch themenbezogene Aktivitäten in ihren eigenen Schulen vorzubereiten. Einige Beispiele:

  • Mittelstufe Viganello
    Die Schule organisierte einen Diskussionstag über Afrika, insbesondere über Senegal, und Begegnungen mit Angehörigen der senegalesischen Gemeinschaft im Tessin.

  • Mittelstufe Camignolo
    Im Laufe des Schuljahres stellten die SchülerInnen, die am Projekt teilgenommen hatten, Recherchen an über die Wahrnehmung des Andersseins und über das aus der Andersartigkeit entstehende Unbehagen.

  • Mittelstufe Lodrino
    Die SchülerInnen erarbeiteten eine Videoproduktion, in der in- und ausländische SchülerInnen zu Wort kamen: Sie erzählten ihre individuelle Geschichte und versuchten dabei, den andern ihre Empfindungen und Gefühle zu erklären.

Zwei Tage lang trafen sich Vorlehrlinge und SekundarschülerInnnen und stellten sich gegenseitig ihre Arbeiten vor. Bei den gemeinsamen Essen hatten sie zusätzlich Gelegenheit, sich kennen zu lernen und sich auszutauschen.

LehrerInnen: Im Rahmen des Laboratorio Ponte-s-cambi fand zudem ein Studientag für LehrerInnen statt, an dem es um die bessere Fokussierung der verschiedenen Strategien ging, die es in der Arbeit mit den SchülerInnen zum Thema Immigration und Prävention umzusetzen galt. Angesichts des positiven Projektverlaufs wurde auch für die LehrerInnen ein Diskussionstag zu den Themen Integration, Multikulturalität und Gesundheitsförderung organisiert.

Zum Abschluss des praktischen Teils des Laboratorio und gleichzeitig zum zehnjährigen Bestehen der Vorlehre im Tessin wurde ein grosses Fest mit Nachtessen und Spielaktivitäten veranstaltet. Der anschliessende alkoholfreie Discoabend war der Beweis, dass es möglich ist, sich ohne Alkohol oder andere Substanzen zu amüsieren.

Die Kreativen
Am Projekt Ponte-s-cambi beteiligt waren die Jugendlichen der Integrationsvorlehre für zugewanderte SchülerInnen (öffentliche Schule für nicht italienischsprachige ausländische SchülerInnen zum Zweck ihrer Integration in den Tessiner Alltag), die SchülerInnen der Sekundarschulen und deren LehrerInnen sowie die Stiftung Radix, die sich für Gesundheits-förderung und Suchtprävention in der Schweiz engagiert. Zu den weiteren Akteuren gehören Mayday (Beratungsstelle, die Informationsmaterial verteilt und Programme zur Förderung der Gesundheit von ImmigrantInnen anbietet) sowie das Bundesamt für Gesundheit über das Programm Schweizerisches Netzwerk gesundheitsfördernder Schulen in der italienischen Schweiz.

Die Adressaten
Ausländische, nicht italienischsprachige SchülerInnen (15 – 20 Jahre) in der Integrationsvorlehre und SchülerInnen (14 –16 Jahre) der Tessiner Sekundarschulen.

Die Bilanz
Das Projekt wurde mittels anonymer, an alle Teilnehmenden (SchülerInnen, LehrerInnen, AnimatorInnen) verteilter Fragebogen evaluiert. Die so gesammelten Daten zeigten auf, dass sämtliche Ziele erreicht worden waren. Die Jugendlichen waren insbesondere von der Erfahrung mit dem Laboratorio Ponte-s-cambi beeindruckt, das zur Entstehung wertvoller Beziehungen beigetragen hat. Auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Schulstufen setzte sich weit über das Projektende hinaus mit weiteren Treffen und Austauschgelegenheiten fort. Zudem erarbeiteten die meisten an Ponte-s-cambi beteiligten Schulen eigene Präventionsprojekte. Das Projekt machte klar, wie wichtig es ist, Kontakte und bedeutende Beziehungen unter den Jugendlichen zu schaffen und eine demokratische Auseinandersetzung mit den Unterschieden auszulösen, die unsere Gesellschaft prägen.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten: 62’124 Franken
  • Gesamteinnahmen: 62’124 Franken, davon:
    • Radix Svizzera Italiana: 17’124 Franken
    • Dipartimento della sanità e della socialità (DSS): 20’000 Franken
    • Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 25’000 Franken

Kontakt
Radix Svizzera Italiana, Pelin Kandemir, Via Trevano 6, Casella postale 4044, 6904 Lugano, Tel. 091 922 66 19
Pretirocinio d’integrazione per alloglotti, Filippo Jörg, Via Trevano, 6952 Canobbio, Tel. 091 815 10 31

 
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