Übersicht
Werkschule Zell
Weltreligionen im Dialog und in Aktion
"Das Thema Rassismus ist auch im Dorf Zell allgegenwärtig", betonte Franz Gassmann im Willisauer Bote. Untätig dabei stehen wollte der Lehrer und Katechet nicht. Er wurde aktiv und startete ein aufwändiges Anti-Rassismus-Projekt. "Schrittweise" nannte sich das breit angelegte Aktionspaket, das zwei Zeller Werkschulklassen ein ganzes Jahr lang beschäftigte. Der Titel war Programm, denn Schritt für Schritt näherten sich die 22 SchülerInnen den vier grossen Weltreligionen an und reflektierten ihr neu gewonnenes Wissen vor dem Hintergrund der Rassismus- und Menschenrechtsthematik. Auf dem vielfältigen Programm standen, neben der Wissensvermittlung, Besuche religiöser Stätten, ein Zeichen-Wettbewerb, eine öffentliche Ausstellung, die Organisation von Gottesdiensten und vieles mehr.
Die Initialzündung
Alltägliche Vorurteile und rassistische Vorfälle in der Region waren Franz Gassmann schon lange Zeit ein Dorn im Auge. Für den Lehrer bekamen diese Themen zudem Relevanz, da er eine Klasse von lernbehinderten Jugendlichen verschiedenster Religionszugehörigkeit unterrichtete. Ein Inserat der Stiftung Bildung und Entwicklung, welches auf den Fonds für Schulprojekte gegen Rassismus und für Menschenrechte aufmerksam machte, brachte Franz Gassmann auf die Idee, das Thema Rassismus im Rahmen eines Jahresprojektes anzugehen. Seine Kollegin Agnes Dolenc beteiligte sich mit ihrer Klasse, überliess die Projektorganisation und -leitung aber Franz Gassmann.

Die Ziele
"Immer mehr Kulturen treffen im Schulzimmer aufeinander, vermischen sich, kennen einander aber nicht. So entstehen Vorurteile, die auf "Hörensagen" beruhen und zu Verurteilungen und Gewalt führen", beschreibt der Katechet. Dieser Unwissenheit wollte Franz Gassmann Wissen entgegensetzen, um so den Anfängen von Rassismus in einer Welt zu wehren, welche zunehmend geprägt ist vom multikulturellen Zusammenleben aber auch von der Instrumentalisierung der Religionen für machtpolitische Zwecke. Die offene Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen sollte die SchülerInnen zum selbständigen Reflektieren befähigen und sie auf grundlegende Werte wie gegenseitige Toleranz und Achtung, gegenseitigen Respekt und Verständnis füreinander sensibilisieren. "Das Projekt zielte darauf ab, in den Klassen zu beginnen, um die Thematik dann in die Öffentlichkeit hineinzutragen", so der Lehrer.

Die Anwärmphase
Grundlagen des Zeller Projektes waren zum einen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, zum anderen der Weltethos von Hans Küng, welcher auf drei Einsichten gründet: "Kein Weltfriede ohne Religionsfriede, kein Religionsfriede ohne Religionsdialog und kein Religionsdialog ohne Grundlagenforschung in den Religionen."

  • Franz Gassmann stellte ein Budget auf und klärte finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten ab. Er skizzierte eine Jahresplanung, in der die zu erarbeitenden Inhalte und die Aktivitäten in Monats- teils auch Zwei-Monatsphasen einteilt wurden.
  • Festgelegt wurde, dass die Lebenskunde-, Geschichts- und Religionsstunden vor allem für die inhaltliche Wissensvermittlung zum Projekthintergrund genutzt werden sollten.
  • Die SchülerInnen erklärten sich zudem bereit, während des Projektjahres eine zusätzliche Religions-Wochenstunde in Kauf zu nehmen, um den Projekt-Stoff erarbeiten und dennoch den Lehrplanansprüchen weiterhin genügen zu können.
  • Das Projektkonzept wurden Eltern, Behörden, Medien auf einem "Zmörgele" vorgestellt.
  • Da Franz Gassmann das Projekt Prozess orientiert anlegte, konnte die Detailplanung - mit welchen Organisationen man welche Aktivitäten umsetzen könnte oder in welcher Form einzelne Aktionen ablaufen sollten - parallel zum laufenden Projekt weiterentwickelt werden.

Die Umsetzung
"Schrittweise" lautete der Titel des Projektprogramms. Und Schritt für Schritt erfuhren die SchülerInnen Hintergründe ihrer eigenen Identitäten, lernten verschiedene Glaubensrichtungen kennen, stellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest, diskutierten Ausgrenzungsmechanismen. Das inhaltliche Erarbeiten der einzelnen Themen wurde in der Regel von Aktivitäten wie den Besuchen der Religions-Stätten oder der Projektarbeit an Teilen der Ausstellung begleitet.

  • Unterricht:
    Es wurde Grundlagenwissen zum Islam, zum Christen- und Judentum sowie zum Buddhismus vermittelt. Dieses diskutierten die SchülerInnen auf der Basis des Küngschen Weltethos und reflektierten all dies vor dem Hintergrund rassistisch motivierter Vorurteile. Zum Unterrichtstoff gehörten Themenblöcke, die Rassismus und Menschenrechte gezielt in den Vordergrund stellten. Beispiele: Menschen sind gleich, denken aber anders, reden anders und handeln anders, 2. Weltkrieg – Judenverfolgung und Rassismus, Menschen- und Kinderrechte.

  • Religiöse Stätten:
    Unter der Leitung von AnsprechpartnerInnen der jeweiligen Konfessionen wurden religiöse Stätten aller vier Religionen in Luzern, Gretzenbach, Zürich und Solothurn besucht.

  • Zeichen-Wettbewerb:
    "Mein Glaube – mein Leben", unter diesem Motto wurden alle SchülerInnen der Zeller Schulen zum Zeichen-Wettbewerb eingeladen. Ihre Werke sollten in die grosse Projekt-Ausstellung integriert werden.

  • Gottesdienste:
    Drei Gottesdienste wurden von den SchülerInnen in der Kirche Zell gestaltet. SchülerInnen und Eltern unterschiedlicher Glaubensrichtungen waren aktiv beteiligt. So predigte beispielsweise Franz Gassmann gemeinsam mit einer muslimischen Schülerin. "Dabei erfuhren die SchülerInnen, dass es nicht auf die Religionszugehörigkeit als solche ankommt, sondern dass es darum geht, gegenseitigen Respekt vor dem Glauben des anderen zu haben, dass alle Seiten aufeinander zugehen können", so der Lehrer.

  • Klassenlager:
    Das einwöchige Klassenlager diente der inhaltlichen Reflektion und Erarbeitung der Ausstellungsteile. In Projektgruppen gestalteten die SchülerInnen verschiedene Themenposten zu den Weltreligionen und zum Thema Verschiedenheit und Gleichheit (dabei wurde auf die Darstellung von Menschen verzichtet. Als Illustration dienten verschiedene Kerzen, Brote, Teppiche etc.). Ausserdem gestalteten die SchülerInnen Plastiken zum Thema Ausgrenzung, Ausschliessen, Verachten und erarbeiteten einen Ausstellungsführer.

  • Ausstellung "Schrittweise":
    Ausstellungsort war der Untergrund der Turnhalle im Oberstufenzentrum Zell (früher Militärunterkunft). Ein Spiel erklärte den BesucherInnen den Weltethos von Küng, Texte, Bilder und Objekte brachten den Gästen die Menschenrechte, die verschiedenen Religionen und Kulturkreise näher. Während der Ausstellungswoche standen die Schüler der einzelnen Projektgruppen an rund 15 Themenposten und gaben dort bereitwillig Auskunft über ihr jeweiliges Gebiet. Ein Ruheraum lud zur Reflektion ein.

  • Anderes:
    Die SchülerInnen besuchten Theater- und Kinoveranstaltungen zum Thema und gestalteten am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, einen "Amnesty International-Folter-Gedenk-Abend" im Kräuterlabyrinth Ludligen, Altbüron, mit.

Die Kreativen
Dem Projektleiter gelang es, sehr viele Personen für ein Engagement zu gewinnen, sei dies im Bereich Gastronomie, Material oder Themenvermittlung. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Zu den direkten Projekt-Kreativen zählten:

  • Lehrer Franz Gassmann: Er investierte u.a. auch einen beträchtlichen Teil seiner Freizeit.
  • Die SchülerInnen, Lehrerin Agnes Dolenc und die Eltern, die mit grossem Engagement ans Werk gingen, das Projekt unterstützen und sich freiwillig auch an Wochenenden engagierten.
  • An den Aktivitäten beteiligte Organisationen und Vereine wie Caritas Luzern, Bethlehemmission Immensee, Amnesty International – Gruppe Luzern etc.

Die Adressaten
Neben den 22 SchülerInnen der beiden Werkklassen beteiligten sich rund 330 am Zeichen-Wettbewerb. Zudem erfreuten sich die Gottesdienste wie auch die einwöchige Ausstellung einer grossen Besucherzahl. Die Tagespresse berichtete mehrfach über verschiedene Aktivitäten im Rahmen des Projektes. Dies führte zu zahlreichen Rückmeldungen interessierter Kreise und ermöglichte den Projektverantwortlichen mit ihren Klassen die Beteiligung an weiteren Veranstaltungen oder Publikationen ähnlicher Thematik. Erreicht wurden auch viele Eltern, welche gerade im Zusammenhang mit Themen wie Rassismus, Integration und Ausgrenzung bedeutenden Einfluss auf ihre Kinder haben. Nicht zuletzt adressierte das Projekt die jeweiligen AnsprechpartnerInnen, mit denen die SchülerInnen im Rahmen ihrer Besuche religiöser Stätten in Dialog kamen.

Die Bilanz
Das Zeller Werkschul-Projekt war rundum ein Erfolg. Es konnte ein breites Publikum für die Menschenrechte im Spiegel der Weltreligionen interessieren und zu vielseitigem Austausch anregen. "Das Engagement, das die SchülerInnen aber auch die Eltern aufbrachten, hat all meine Vorstellungen übertroffen", freut sich Projektleiter Gassmann. Die konstante und intensive Beschäftigung der SchülerInnen mit den Themen Rassismus und Menschenrechte spricht für die nachhaltige Wirkung dieses Projekts, zumal die Inhalte auch in die Familien Eingang fanden. Besonders während der Ausstellung erfuhren die SchülerInnen an ihren Themenposten sehr viel direkte Anerkennung durch die BesucherInnen, was sich positiv auf ihr Selbstverständnis auswirken dürfte.

Die Finanzen

  • Gesamtkosten: knapp 11’200 Franken
  • Schulfonds, Stiftung Bildung und Entwicklung: 9’380 Franken

Noch ein paar Tipps

  • Ein Projekt dieser Breite bedarf eines sehr grossen Zeit- und Finanzaufwandes, liesse sich aber auch in reduzierter Form umsetzen.
  • Der Prozess orientierte Charakter bringt Unsicherheiten bei der Budgetplanung mit sich. Lieber vorab grosszügig planen und rechtzeitig allfällige Finanzierungsmöglichkeiten abklären.
  • Das Projekt muss unbedingt an die Möglichkeiten der SchülerInnen angepasst sein. Es gilt zu beachten, dass die Umsetzung mit lernbehinderten SchülerInnen arbeitsintensiver sein kann als beispielsweise mit SekundarschülerInnen.

Kontakt
Franz Gassmann, Neuhushof 4, Postfach 114, 6144 Zell, Telefon 041 988 19 31

 
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